Das Jahr 2021 zeigte erneut, wie einschränkend und verändernd sich eine pandemische Lage auswirken kann. Auch ins Jahr 2022 begleitet uns die anhaltende Entwicklung und weitere Effekte, die das allgemeine Wohlbefinden, aber auch die Wirtschaft beeinflussen – unter anderem den Wohnungs- & Gewerbeimmobilienmarkt.
NEUES JAHR, NEUE REGIERUNG
„Mehr Fortschritt wagen“ will die am 8. Dezember 2021 gestartete Regierung, die infolge der Bundestagswahl im September gebildet wurde. Das Motto der Koalition aus SPD, Grünen und FDP bezieht sich insbesondere auf Themen wie Nachhaltigkeit in Verbindung mit sozialer Verträglichkeit und marktwirtschaftlichen Möglichkeiten. Ob und inwieweit dies gelingen wird, bleibt abzuwarten.
In der ungewohnten Oppositionsrolle sehen sich die Unionsparteien – die CDU inzwischen mit dem neuen Vorsitzenden Friedrich Merz. Dessen sehr wirtschaftlich geprägter Charakter kann grundsätzlich eine wichtige und starke Gegenposition zur Regierung bilden. Wir gehen davon aus, dass sowohl mehr Wohnungsbau als auch geringere Kosten beim Eigentumserwerb auf der Todo-Liste der Bundesregierung stehen. So plant das neu gegründete Ministerium für Bauen und Wohnen für dieses Jahr 400.000 neue Wohnungen. Ebenfalls wird wohl eine Reduzierung der Grunderwerbssteuer diskutiert werden – ein kontroverses Thema, da diese Einnahmen den Bundesländern zugutekommen. Auch werden Förderprogramme wie das Baukindergeld in ähnlicher Form neu aufgelegt.
ARBEITSMARKTLAGE
Dank des Aufschwungs und des Beschäftigungsaufbaus dürfte die Arbeitslosenquote bei 5,2 % liegen. Mit fortgesetzter wirtschaftlicher Erholung sollte die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in diesem Jahr um gut 1 % (360.000) zulegen. Der Fachkräftemangel wird allerdings wohl den Effekt des kräftigen Wirtschaftswachstums noch weiter verzögern.
Die Kurzarbeit dürfte ab dem zweiten Quartal durch saisonale Faktoren und eine Entspannung der Lieferengpässe merklich zurückgehen. In der zweiten Jahreshälfte könnte sie dann bei durchschnittlich 300.000 Personen liegen.
Bei der Erholung der Minijobs dürfte die geplante Anhebung des Mindestlohns auf 12,00 € eine wichtige Rolle spielen. Um jedoch die daraus resultierende Reduzierung der Arbeitszeit durch die Verdienstgrenze zu verhindern, plant die neue Regierung die Verdienstgrenze auf 520,00 € pro Monat anzuheben.
Da während der Pandemie viele Beschäftigungsverhältnisse abgebaut wurden, ist es fraglich, ob und inwieweit diese nun bei einer plötzlichen Personalkostensteigerung wieder geschaffen werden. Zudem ist es wahrscheinlich, dass die Unternehmen die gestiegenen Kosten an die Endverbraucher weitergeben werden.
WIRTSCHAFT
Positive Vorzeichen trotz Inflation
Die Europäische Zentralbank (EZB) gestand Fehler im Umgang mit der Inflation ein, wie Entscheidungen und Kommentare der EZB-Präsidentin Christine Lagarde zeigen. Man hält sich die Möglichkeit einer Zinsanhebung offen. Ein Signal für die evtl. anstehenden Zinsanhebungen ist die 10-jährige Bundesstaatsanleihe, die seit mehr als 10 Jahren stetig sinkend war und nun in den positiven Bereich gedreht hat. Eine Zinsanpassung könnte Auswirkungen auf die Wohnungspreise sowie die Angebots- und Nachfragesituation nach sich ziehen.
Abbildung: Rendite der jeweils jüngsten Bundesanleihe mit einer vereinbarten Laufzeit von 10 Jahren
WOHNUNGSMARKT
Bedürfnis nach mehr Zuhause
Trotz diverser Einflussfaktoren werden die Preise auch im Jahr 2022 gleichbleiben bzw. leicht steigen. Das Stadt-/ Landthema wird in diesem Zusammenhang weiter an Wichtigkeit gewinnen, daher sollte in Regionen wie Freiburg im Breisgau eine überregionale Wohnungspolitik angestrebt werden.
In der Pandemie stieg das Bedürfnis nach Sicherheit in den eigenen vier Wänden. Hinzu kommt, dass durch Lockdowns und Homeoffice ein ganz neuer Flächenbedarf – auch an Balkonen, Terrassen oder Gärten – entstanden ist. Dabei vergrößerte sich in den letzten Jahrzehnten bereits der Flächenbedarf pro Person, und die Versingelung unserer Gesellschaft trägt ihr Übriges dazu bei. Das Ergebnis führt – vor allem in Städten – zu einer prekären Situation auf dem Wohnungsmarkt für Wohnungssuchende.
Beim Thema Homeoffice lässt sich erkennen, dass ein Zugehörigkeitsgefühl und eine Corporate Identity nur im Unternehmen gelebt werden kann. Somit ist davon auszugehen, dass das Modell Homeoffice – gemessen an der Wochenarbeitszeit – etwas zurückgehen wird und sich eine hybride Form weiter durchsetzen wird.
Noch kein Ende des Booms
Der noch immer stark ausgeprägte Nachfrageüberhang bleibt dem Wohnungsmarkt erhalten. Durch weiterhin hohe Kapitalmengen werden die Mietrenditen sinken und Eigennutzungen mehr in den Fokus rücken. Hiervon sind vor allem Eigentumswohnungen betroffen.
Investitionen in den deutschen Wohnungsmarkt bleiben grundsätzlich interessant, lediglich für Kleinanleger gilt es, genauer hinzuschauen. Hohe Kaufpreise und sinkende Renditeverhältnisse machen die Fremdfinanzierung schwieriger und somit risikoreicher. Außerdem ist aufgrund der Klimapolitik der neuen Regierung anzunehmen, dass Themen wie Abschaffung der Ölheizungen, Photovoltaikanlagenpflicht und weitere energetische Schritte uns stark begleiten werden.
Die neue ImmoWertV 2022
Zum 1. Januar 2022 trat die Novellierung der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) in Kraft. Das sichert eine bundesweit einheitliche Verkehrswert- und Bodenwertermittlung nach marktgerechten Grundsätzen. Bei der Anwendung der bisherigen Richtlinien gab es Korrekturbedarf, da sie ohne entsprechenden Ländererlass nicht verbindlich waren.
So müssen nun unter anderem Gutachten nach den neuen Richtlinien erstellt werden. Dies gilt auch für Wertermittlungsstichtage, die in der Vergangenheit liegen. Die Haupterrungenschaft ist die bundesweite Vergleichbarkeit.
GEWERBEIMMOBILIEN
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Büromarkt
Den Büromarkt schätzen wir verhalten ein. In guten Lagen werden die Preise gleichbleiben, in der Peripherie sinken. Dies sind temporäre Effekte, mehr Bewegung ist zu erwarten, wenn sich die Corona-Lage entspannt hat.
Mittelfristig werden sich durch Flächenknappheit im Gewerbebereich Effekte zeigen. Insbesondere nach der Fertigstellung und Vollvermietung der größeren Freiburger Entwicklungsareale Güterbahnhof und Businessmile.
Durch vermehrtes Homeoffice, mehr Onlinemeetings und steigenden Platzbedarf pro Mitarbeitende strukturieren sich Unternehmen um. Globale Office-Trends wie Flex Desk setzen sich jedoch in Freiburg und der Umgebung nicht durch, zumindest nicht im großen Stil.
Einzelhandel
Der Strukturwandel im Einzelhandel wird anhalten, das heißt: Die Zahl der inhabergeführten Geschäfte wird zurückgehen, unter anderem durch vermehrten Online-Handel und die Expansion der großen Ketten. Hier ist das Coronavirus ein Beschleuniger einer ohnehin vorhandenen Entwicklung. Wir sehen für 2022 folgendes Szenario:
Die Pandemie wird sich im Laufe des Jahres abschwächen und evtl. auf einen endpandemischen Winter zusteuern. Dadurch wird der Einzelhandel wieder Boden gutmachen – der Strukturwandel kann sich etwas verzögern.
Preise für Einzelhandelsflächen schätzen wir gleichbleibend bis sinkend ein, vor allem im Hinblick auf eine längst überfällige Korrektur der Preisrallye der letzten Jahre. Die Verdrängung der Gastronomie in innerstädtischen Lagen zeigte, dass die Preise stark angestiegen sind. Nun bleibt abzuwarten, ob bei der bevorstehenden bzw. schon begonnenen Korrektur eine Rückkehr der Gastronomie stattfinden wird.
Das Thema Corona zeigte Investoren, dass Objekte mit Lebensmittelbezug krisenfest sind. So werden in den Innenstädten voraussichtlich mehr Lebensmitteleinzelhändler Flächen mieten. Zusammen mit zunehmenden Filialisierungstendenzen ändert auch das die klassischen Innenstadtkonzepte.
Bei Shopping-Centern erwarten wir sinkende Preise in allen Lagen. Die Gründe liegen ebenfalls teilweise in den Pandemieerfahrungen: Die relativ dichten Ladenbelegungen sowie Zugangsbeschränkungen sind psychologisch negativ wirkende Faktoren.
Hotel und Gastronomie
Hier ist zu erwarten, dass sich der Markt erholen wird, sobald die Pandemie eingedämmt ist. Das bedeutet in der Konsequenz aber auch, dass es zu Personalmangel kommen wird, da viele Mitarbeitende während der Krisenzeit in eine andere Branche gewechselt sind. Sie stehen dem Arbeitsmarkt dieser Branche daher größtenteils nicht mehr zur Verfügung.
Die Branche wird sich weiterhin modernisieren und wandeln. Das heißt, wir werden mehr Hochwertigkeit in den Angeboten sehen sowie mehr Filialisierungen und mehr Systemgastronomie.
Logistik und Produktion
Die Bilder des im Suezkanal festgesteckten Frachtschiffs „Ever Given“ verdeutlichte besonders plakativ die Bedeutung der Lieferkettenoptimierung. Die Nachfrage nach Logistik- und Produktionsflächen war und ist krisenfest und ungebrochen. Deshalb wird sich 2022 die Flächenknappheit weiter zuspitzen.
Das gilt auch in der „Wohlstandsblase” Südbaden mit ihrem starken Fokus auf Zukunftstechnologien wie Medizintechnik, Maschinenbau, Mikrosystemtechnik, Veredelung. Es ist regional von keiner Insolvenzwelle auszugehen, eher sind gegenteilige Effekte wie etwa Neugründungen oder Standortverlegungen sichtbar. Der Nachfrageüberhang wird sich jedoch auf die Preisentwicklung auswirken. Das gilt für den Bestand und mehr noch für Grundstücke. Darüber hinaus werden Produktionsstätten im Einzugsbereich der Haupt- und Mittelzentren weiterhin stark gesucht sein. Denn ein Wegzug in die erweiterten Randgebiete ist für viele Unternehmen aufgrund des Fachkräftemangels kaum möglich.